Meine erste „richtige“ Flöte
Fernlehrgang bei Fred Morgan
Wie lernst man die großen Flöten der Vergangenheit kennen?
Man reist durch sämtliche Museen und Privatsammlungen weltweit und misst sie dort aufs Genaueste aus.
Diese Möglichkeit hatte ich nie – abgesehen von einigen sehr inspirierenden Museumsbesuchen.
Das war mehr die Sache der „Altmeister“. Einer davon war damals Fred Morgan. Die etwas Älteren unter uns werden sich noch gut an den legendären australischen Flötenbauer erinnern. Fred war unglaublich großzügig mit seinem Wissen. Er unterrichtete auch Flötenbau an holländischen Hochschulen und veröffentlichte etliche seiner Messprotokolle. So gab es eine wunderbare Mappe mit Zeichnungen der Originalflöten aus Frans Bruggens legendärer Sammlung. Ein unglaublicher Schatz für Flötenbauer wie mich – die Instrumente waren so bis ins kleinste Detail beschrieben, dass man sie einfach nachbauen konnte.
Jacob Denner kannte ich ja schon ein bisschen.
P.I.Bressan – der interessierte mich noch mehr. Seine Instrumente waren berühmt für einen unglaublichen Reichtum an Klangfarben. Und Frans Bruggen besaß unter anderem zwei Altflöten dieses englischen Meisters.
So legte ich los.
Drechseln statt Schmieden
Meine Werkstatt war zu dieser Zeit in einer ehemaligen Dorfschmiede untergebracht.
Der Vorteil: Es gab genug Platz, da standen auch ein paar alte Werkbänke herum, und ich störte niemanden.
Auf der alten Esse stapelte ich alles, was sonst keinen Platz fand – die Drechselbank war wichtiger.
Dass die Schmiede auch ihre Probleme bereitete – dazu später.
Ein befreundeter Werkzeugmacher baute mir die ersten Räumer und Windkanalwerkzeuge. Und ich erstellte Werkzeichnungen, besorgte Material und legte los.
Die letzten, entscheidenden Arbeiten beim Flötenbau sind ja die Bearbeitung des Klangs – neudeutsch „Voicen“ genannt, und das Stimmen.
Ich voicte und stimmte meine erste eigene Flöte. Nein – natürlich nicht meine erste. Wieviele Waldorf-Flöten hatte ich schon gebaut…
Aber die erste „richtige“ - eine Kopie nach P.I. Bressan!
Alles ganz original – in 408 Hz, mit originaler Griffweise und ohne Doppellöcher.
Ja, und abgesehen von ein paar Dingen, die ich heute anders machen würde – es wurde ein wirklich passables Instrument, mit einem ganz interessanten Klang, vielen Möglichkeiten – ja, wirklich schön…
Die meinen es tatsächlich ernst!
Natürlich war ich darauf erst mal stolz. Ich konnte das – ganz ohne die großen Maschinen, nur mit einer Drechselbank und einer Handvoll an Werkzeugen. Und viel Zeit natürlich.
So hatte ich die Flöte auch einmal im Gepäck, als eine Studentengruppe aus Duisburg zu einem Workshop in der Firma zu Gast war – das war ja auch eines meiner Tätigkeitsfelder.
Und eine der Studentinnen kam auf mich zu: „So eine Flöte will ich!“
Ja – die meinte das wirklich ernst! Meine erste Bestellung!
Natürlich sollte die Flöte in den gängigen 415 Hz gestimmt sein, auch mit „normaler“ Griffweise.
Dass das mehr bedeutete als die Flöte einfach ein bisschen kürzer zu machen, durfte ich dann lernen. Ich baute ca. 3 Instrumente, bis ich ihr eines liefern konnte. Und die war dann: in 418 Hz!
Wieso das denn?
Tja – es war Winter. In der Schmiede lief ein kleines Heizgebläse, aber insgesamt war es doch ziemlich frisch. Und in dieser – ja – Kälte stimmte ich die Flöte – auf 415. Das war dann natürlich bei „Normaltemperatur“ zu hoch. In diesem Fall war es dann mit einem neuen Mittelstück gerettet.
Und es dauerte nicht lange, da folgte auf diese erste dann die zweite Bestellung – aus dergleicchen Flötenklasse.
Die Flöte muss doch ganz gut gewesen sein…