Aller Anfang ist mühsam
Sprachverwirrung
Dialekte sind so eine Sache…
In der Gegend, in der ich aufgewachsen bin – meiner früheren Heimat – war auch ein Dialekt geläufig, der ein bisschen „speziell“ war. Das war nicht schwäbisch (was man ja mittlerweile sogar in Berlin kennt), sondern es hieß „houalouärisch“ – oder nennen wir es „hohenloherisch“. Klar – das verstand ich – war ja damit groß geworden.
Und dann kam ich nach Fulda. Nicht mehr dieser süddeutsche Singsang, alles klang ein bisschen herber in meinen Ohren. Aber das war alles kein Problem.
So lange, bis ich meinen ersten Arbeitstag erlebte.
Wenn man Flötenbau lernen will, dann fängt man „ganz hinten“ an – beim Holzzuschnitt.
Neben der Säge wurde ich Egid zugeteilt – mein Kollege für die kommenden Tage.
Egid gab sich wirklich Mühe, hochdeutsch mit mir zu sprechen.
Und ich verstand kein Wort.
Ich fand schließlich heraus – Egid kam aus einem Dorf in der vorderen Rhön – und da sprach man kein osthessisch, sondern „Rhöner Platt“. Seine Sprache eben.
Wir hatten es nicht einfach miteinander in diesen Tagen – nicht nur wegen der Sprache. Da prallten auch zwei Kulturen aufeinander. Der verkrachte Herr Student und der Rhöner Nebenerwerbs-Landwirt.
Was ich noch gut von Egid in Erinnerung habe, sind seine Augen. Er hatte so einen ganz und gar unverstellten, geraden Blick.
Und „sein“ Dorf – dort habe ich dann später einige Jahre gelebt und meine Werkstatt aufgebaut. Und viele unglaublich liebenswerte Menschen kennengelernt – und etwas Rhöner Platt gelernt – nur etwas…
Aber da lebte Egid schon nicht mehr – leider. Ich hätte ihn gerne mal besucht.
Beinahe Lehrling
Ja, eine Lehrstelle als Blockflötenbauer gab es ja nicht. Ich war eingestellt, um Flöten zum Klingen zu bringen.
Aber zu meiner Freude durfte ich erst mal den ganzen Betrieb von „hinten“ nach „vorne“ durchlaufen, alle Stadien meiner in der Entstehung meiner Wunschinstrumente kennenlernen.
Und erfuhr endlich, wie die es schaffen, das Loch in die Mitte des Holzes zu bekommen. Ganz einfach: mit ein paar technischen Tricks bekommt man es relativ gerade. Und erst danach spannt man es in die Drehmaschine, und die dreht schön rund um das Loch herum. Ganz einfach eigentlich.
In der Drechslerei standen natürlich keine Drechsler an Drechselbänken und arbeiteten mit ihren Handwerkzeugen die Form aus den Hölzern. Da standen Maschinen mit Schablonen und Formstählen für die Verzierungen. Klar – Instrumente für Schüler hatte man sonst kaum bezahlen können.
Trotzdem – einen Tag in der Woche durfte ich mich an die Hand-Drechselbank stellen und erst mal Späne produzieren. Ein viereckiges Stück Holz will erst mal rund werden – bis dahin hat man viele Späne in den Haaren. Und dann Formen herausarbeiten – es wäre fast fertig, und dann macht dieser Drechselstahl einmal „RITSCH“ – und man darf sich eine andere, etwas dünnere Form ausdenken.
Mit der Zeit klappte es dann besser und besser, und ich übte, mal einen Flötenkopf zu drechseln, oder einen Fuß. Oder – gar nicht so einfach – ein Mittelstück, das wirklich glatt ist und keine Berg- und Talbahn darstellt.
Wow – das machte Freude!
Zum Flötenbau gehört noch viel mehr: Die Teile wollen geschliffen sein – definitiv war das nicht meine Lieblingsarbeit.
Und dann wollen Flöten draus werden.
Die Kopfstücke brauchten einen Windkanal und ein Labium – später auch einen Block. Wieder ein riesengroßer Maschinenpark – verschiedene Hobel- und Fräsmaschinen.
Damals gab es noch keine CNC-Technik – das war noch pure Mechanik, mit all ihren Tücken. Je nachdem, wie die eingesetzten Werkzeuge gerade gelaunt waren, waren die Ergebnisse mal besser, mal schwieriger. Aber meist spürten das erst hinterher diejenigen, die die Köpfe zum Klingen bringen sollten.
Siehe später.
Die Unterteile wollten Grifflöcher bekommen. Ich war beeindruckt von den Bohrmaschinen, die gleich eine ganze Reihe von Löchern in einem Rutsch in ein Teil bohrten. Und das musste dann ja auch so passen. Eine Schulflöte kann man nicht einzeln nachstimmen – siehe „bezahlbar“. Noch heute habe ich hohe Achtung vor dieser Art des Flötenbaus: Die ganze Präzision, die bei einem handgefertigten Instrument in der Endbearbeitung liegt, muss hier gleich von Anfang an „eingebaut“ sein – so gut es eben geht.
Die ersten Flöten – mühsam
Und dann war es endlich so weit:
Mein erster Tag in der Endfertigung.
Die Labien fertigschnitzen, die Blöcke einbauen und dem Kopfstück seine ersten Töne entlocken, so lange, bis es gut ist.
Und ich hatte ja keine Ahnung, wie es geht. Klar, es wurde mir gezeigt: da musst du so feilen, und dann muss das so aussehen, und dann mit Schleifpapier hier nacharbeiten, und dann probieren, dann müsste es gut sein.
War aber nicht.
Was ich noch nicht wusste: Es sind so viele winzige Details, auf die es ankommt. Und – ohne jemandem zu nahe treten zu wollen – meinem späteren Eindruck nach hatte damals kaum jemand eine Ahnung davon, wie das alles zusammenhing.
Sie hatten mich ja auch geholt, weil ich Blockflöte spielen konnte – ich sollte es besser machen.
So blieb mir nichts anderes als „learning by doing“.
Nach dem ersten Arbeitstag kam der Abteilungs-Meister und sah sich an, was ich da gebastelt hatte. Sein Kommentar: „Die gehen ja alle net!“.
Puuuhhh – ich war bedient.
Mit den Sopranflöten am nächsten Tag klappte es etwas besser. Und lange noch schleppte ich so eine Art „Altflöten-Trauma“ mit mir herum.
Ich denke, das habe ich mit den Jahren ganz gut überwunden…