Wie der Flötenbau zu mir kam
Berufswünsche und kein rechter Plan
1972 machte ich mein Abitur. Damals war für junge Männer noch entweder Bundeswehr oder Zivildienst obligatorisch – letzterer aber erst nach einer ausgiebigen „Gewissensprüfung“ – unsäglich!
Ich schaffte es tatsächlich, beides zu erleben!
So hatte ich etwas Zeit zum Nachdenken, wo ich denn mal hinwollte.
Klar war nur: Apotheker wie meine Eltern wollte ich nicht werden. Und ich bin meinem Vater dankbar dafür, dass er mich nie dahin gedrängt hat.
Elektrobasteln – das war immer was für mich. Also – Elektro-Ingenieur? Vielleicht…
Dann noch eine bessere Idee: Toningenieur? Technik mit Musik verbinden? Klang super. Noch heute verstehe ich nicht so recht, warum ich das damals nicht weiterverfolgt habe. Obwohl… Würde ich sonst jetzt diesen Text schreiben?
Richtig überrollt wurde ich von der Einberufung – stinkende Uniformen, widerliche Waffen, Exerzieren und komische Märsche. Der glücklichste Tag dieser Zeit war mein Abschied aus der Kaserne nach neun Monaten mit der Gewissheit. Nie wieder!
Ich ließ mich dann erst mal ein bisschen treiben, dann durfte ich noch ein Weilchen Zivildienst leisten. Wie gerne tat ich das – etwas mit Sinn und Verstand unter zivilisierten Menschen!
Einer meiner „Nebenjobs“ war in Verbinndung mit geistig behinderten Menschen. Das fühlte sich gut an. Also Behindertenarbeit – Sozialpädagogik? Vielleicht…
Neue Ideen machten sich breit, um mich, in mir. Aufs Land ziehen, autark leben, Selbstversorgung, Etwas Handwerkliches – Töpferei – Naturholz-Schreinerei oder was auch immer…
Ja – Sie lesen richtig: Ich war etwas orientierungslos zu dieser Zeit.
Jemand hat einen Vorschlag
Apothekers-Familie, Kleinstadt, Abitur: „Also, studieren musst du schon!“
Tiermedizin – wegen Land und so? ich bekam sogar einen Studienplatz – in (damals West-)Berlin. Das war mir von meiner süddeutschen Heimat zu weit weg. Auch so eine Entscheidung, über die ich später noch den Kopf geschüttelt habe.
Schließlich machte ich, was alle in meiner Umgebung machten: Lehrer werden. Die es schon waren, dachten darüber nach, auszusteigen und aufs Land zu gehen – da war ich „irgendwie“ richtig.
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg. Grundschulstudium. Erst Werken, später Musik und Deutsch. Als Zweitinstrument Flöte – allerdings Querflöte, die war ja auch sehr interessant.
Es gab nur einen Dozenten für Querflöte – Bernhard Böhm unterrichtete zugleich Blockflöte für Hauptinstrument-Studenten.
Immer wieder unterhielten wir uns, auch über meine unklaren Berufswünsche. Ich erzählte davon, ich könne ja vielleicht auch Drechsler werden.
Und er meinte: „Dann baue doch Flöten!
Klick!
Das war’s!
Wieso war ich da nicht von selbst draufgekommen?
Danke, lieber Bernhard Böhm – für diesen Impuls bin ich dir ewig dankbar!
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Blockflötenbau ist eine sehr romantische Angelegenheit.
Man sitzt neben einem bullernden Ofen an dem Werktisch (wie war das noch mal gleich mit Brandschutz in Arbeitsräumen?), draußen singt eine Amsel, und der Meister schnitzt an einer Flöte.
Ja, so ähnlich wurde es dann auch irgendwann. Nur mit Heizkörper statt Ofen, manchmal mit Kater auf dem Fensterbrett (der mich dann allerdings äußerst indigniert anschaute, wenn ich begann, ‚Flöte zu spielen, und höchst gekränkt den Raum verließ)
Und natürlich lernt man Flötenbau bei einem Meister und nicht in einer Fabrik.
So viele Meister kannte ich allerdings nicht. Es gab auch nicht so viele in Deutschland.
Von Martin Skowronek wusste ich damals nichts.
Ich schrieb Rudolf Otto an – diverse Flötendamen an der Hochschule hielten große Stücke von ihm.
Seine Antwort auf einer Postkarte: So etwas überließe er lieber dem Staat.
Dann pilgerte ich nach Tübingen – zu Joachim Paetzoldt. Der war unter den Spielern, die ich damals kannte, zuständig für die „richtig guten“ Blockflöten.
An seiner Werkstatttür hing ein Zettel: „Wegen absoluter Arbeitsüberlastung bleibt meine Werkstatt geschlossen. Japanische Plastikflöten ab Lager lieferbar“.
Ich klingelte trotzdem.
Ein freundlicher älterer Herr ließ mich ein.
Nachdem er mein Anliegen gehört hatte, meinte er, dazu hätte er derzeit überhaupt keine Zeit. Aber ich könne ja mal wiederkommen, wenn ich schon etwas könne.
Dass man in Deutschland eine ordentliche Lehre macht, das wusste ich. Dass es dazu auch einer Erlaubnis für die Ausbilder bedarf – darüber hatte ich nie nachgedacht.
Also doch die großen Firmen.
Damals gab es in Deutschland eigentlich nur eine Firma mit großer Reputation: Moeck in Celle. Die hatten so einen wunderbaren, edlen Katalog, in dem neben Blockflöten alle möglichen anderen historischen Holzblasinstrumente – vom Krummhorn bis hin zur Barock-Oboe abgebildet und erläutert waren.
Also – wenn, dann da hin.
Nach einem kurzen Schriftwechsel mit Dr. Hermann Moeck saß ich im Nachtzug nach Celle. Ich war aufgeregt – er hatte mich eingeladen!
Ich durfte einen Blick in die - was nun – Werkstatt oder Fabrik? werfen. Da saßen so viele Menschen, die genau das taten, was ich wollte. Allerdings ohne Ofen und Amsel.
Hoffnungsvoll fuhr ich wieder nach Hause. Und musste dann erfahren, dass statt meiner ein gelernter Drechsler als Lehrling eingestellt wurde. Später erfuhr ich, dass sie vielleiht doch mit mir den besseren Fang gemacht hätten – tja…
Ich versuchte es beim Zweiten der Branche: Mollenhauer in Fulda. Und auch hier bekam ich wieder mal eine Postkarte: Für die nächsten zwei Jahre ausgebucht.
Ein paar Wochen bekam ich dann einen Brief. Nicht mehr von der Sekretärin unterzeichnet, sondern vom Chef, von Bernhard Mollenhauer selbst.
Leider hätten Sie derzeit keine Lehrstelle, aber sie suchten dringend junge Leute für den Blockflötenbau.
Eine regelrechte Lehre gab es damals dort nur im Querflötenbau – den die Firma damals noch pflegte. Im Blockflötenbau arbeitete man „einfach so“.
Sie brauchten jemanden, der Blockflöte spielen kann. Ok… konnte ich das? Ich hatte dann bei Bernhard Böhm statt des Querflötenunterrichts einige Blockflöten-Stunden genommen. So hatte ich vielleicht die Chance, unter Blinden so etwas wie der Einäugige zu werden.
Das war meine Chance!