Eigene Gehversuche
Waldorfs fragen an
Eines Tages saß ich wieder an meinem Arbeitstisch in der Endfertigung und war beschäftigt mit dem Intonieren von Flötenköpfen, als mein Chef zu mir kam, mit einer Bambusrohr-Flöte in der Hand.
Eine Waldorfschule hätte angefragt, ob unsere Firma derartige Flöten bauen könne: Recht einfach gebaute Instrumente mit nur vier Grifflöchern und einem ganz schmalen Windkanal – pentatonische Instrumente für den Anfangsunterricht.
Er hatte daran kein Interesse. Umso aufregender empfand ich die Frage an mich, ob ich mich nicht daran versuchen wolle!
So war meine erste Flöten-Kopie nicht nach Bressan, Denner oder Kynsecker, sondern eben nach einer Bambusflöte. Ich hatte die Gelegenheit, mir innerhalb der Firma die passenden Werkzeuge zusammenzusuchen, und nach einigen Versuchen hatte ich tatsächlich ein klingendes und stimmendes Instrument in der Hand!
Mir war klar: Eine Flöte „in Serie“ zu bauen – das geht nicht nur mit Schnitzen von Hand. Viele in der Firma halfen mir damals, Diverses zusammenzubauen: Eine kleine Vorrichtung für die Windkanäle, eine Fräsvorrichtung für die Labien, eine Sägevorrichtung. Manches konnte ich „von der Stange“ verwenden, etwa die Blöcke, die ich nur etwas modifizieren musste, bis sie für diese Flöten passten.
Natürlich notwendig: die eigene Firma!
Es war Zeit, dem Händler, der all‘ die Waldorfschulen belieferte, ein Angebot zu machen.
Das hieß: ein Gewerbe anmelden, etwas von Buchführung lernen und was noch alles…
Selbständiger Flötenbau bedeutete damals: Eine Meisterprüfung abgelegt haben. Davon war ich natürlich weit entfernt!
Eine Nische hieß: Kunstgewerbe. Das durfte man damals ohne Voraussetzungen machen. Manchmal kommt es ja drauf an, Dinge kreativ zu benennen.
Und natürlich musste auch ein Büro entstehen. Eine Schreibmaschine hatte ich schon – es brauchte noch Kohlepapier für Durchschläge, und vor allem: eigenes Briefpapier, und ein schönes Logo! Damals entstand mein heute noch benutztes „SB“ – noch ohne die Ähren.
Die ersten Flöten dieser Bauweise waren noch von Hand gedrechselt – jede ein klein wenig eigen in ihrer Form. Der Preis lag damals, wenn ich mich recht erinnere, um die 25 DM pro Stück.
Bald war klar – das geht so nicht. Ich durfte nach Feierabend auf der Kopiermaschine drechseln, und der Preis musste sich auch noch etwas passender gestalten.
Lange Jahre baute ich diese Instrumente – während meiner ganzen Lehrzeit hindurch und auch noch lange später. Es wurden immer mehr – die Flöten waren bei den Waldorfschulen beliebt, und sie schienen gut zu sein.
Auch in Zeiten, als ich nicht so recht wusste, wohin es für mich beruflich weitergehen soll, gaben sie vielleicht nicht mein Haupteinkommen, aber doch einen soliden Grundpfeiler.
Auf diese Zeit kommen wir noch zu sprechen…